Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Eingreifen oder wegsehen?

5. Juni 2008

Eine Vortragsreihe an der Universität Konstanz greift das Für und Wider internationaler Interventionen auf. Sie hinterfragt deren Notwendigkeit und Legitimität und bringt gleichzeitig humanitäre Katastrophen zur Sprache, die die internationale Staatengemeinschaft durch beherztes Eingreifen hätte verhindern können. Vom 10. Juni bis zum 14. Juli 2008 tragen renommierte Diplomaten, Politiker und Journalisten ihre Einschätzungen zum Thema humanitäre Krisen, Interventionen und die Rolle der internationalen Gemeinschaft und ihrer Organisationen vor.

Konstanz, 5. 6. 2008: Dem Völkermord in Ruanda 1994 fielen 800 000 bis 1 Million Menschen zum Opfer. 1995 wurden im bosnischen Srebrenica rund 8 000 muslimische Jungen und Männer von serbischen und serbisch-bosnischen Truppen ermordet. In beiden Fällen geschah dies unter den Augen von Blauhelmtruppen der Vereinten Nationen, die nicht zu intervenieren wagten oder denen zu intervenieren ausdrücklich verboten war.

Angesichts dieser Erfahrungen verabschiedeten die Vereinten Nationen auf dem Weltgipfel der UN 2005 das Prinzip der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect – R2P). Dieses unterstreicht die Verantwortung jedes Staates für den Schutz seiner Bürger vor Völkermord, ethnischen Säuberungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Prinzip der Responsibility to Protect verweist aber auch auf die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft einzuschreiten, wenn Staaten nicht willens oder nicht in der Lage sind, ihre Bürger zu schützen.

In der Praxis allerdings blieben internationale Interventionen umstritten. Entsprechende UN-Mandate kommen oft nicht zustande, weil vetoberechtigte Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sie verhindern. Ein Beispiel dafür ist die Unfähigkeit der Vereinten Nationen, Entscheidendes zur Beendigung von Gewalt und Massensterben in der sudanesischen Provinz Darfur zu unternehmen. Dort sind bis heute nach Schätzungen der UN etwa 300 000 Menschen umgekommen, weitere 2 Millionen wurden gewaltsam vertrieben und leben in Flüchtlingslagern im Sudan oder im benachbarten Tschad. Auch nach der jüngsten Flutkatastrophe in Birma kam das Thema wieder auf: Hätte man selbst gegen den Willen des dortigen Militärregimes eingreifen sollen, um Menschenleben zu retten?

Aber dienen internationale Interventionen nicht auch der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen? Sind Grundprinzipien der Vereinten Nationen – die Achtung der Menschenrechte einerseits und die Achtung staatlicher Souveränität anderseits – nicht grundlegend unvereinbar? Können die Vereinten Nationen ihr Schutzversprechen überhaupt umsetzen? Sollte man zum Schutz der Menschenrechte nicht lieber auf eine Allianz demokratischer Staaten setzen?
Diesen Fragen widmet sich die Vortragsreihe, die der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ zusammen mit dem Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz organisiert.

Den Auftakt macht am 10.6. Tom Koenigs, ehemaliger Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen in Afghanistan. Am 19.6. spricht Arne Perras, der seit 2006 als Auslandskorrespondent der Süddeutschen Zeitung in Kampala (Uganda) arbeitet. Als prominenter internationaler Gast hält am 23.6. der ehemalige australische Außenminister Gareth Evans einen Vortrag. Seit 2007 ist er Präsident der „International Crisis Group“ in Brüssel. Am 26.6. wird Wolfgang Ischinger, ehemaliger deutscher Botschafter in Washington und London und neuer Vorsitzender der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik, eine Zwischenbilanz über internationales Krisen-Management und Interventionen ziehen. Karsten D. Voigt, Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, nimmt am 2.7. eine Bestandsaufnahme der deutsch-amerikanischen Beziehungen am Ende der Ära Bush vor. Abschließend wirft am 14.7. Gunter Pleuger, ehemaliger deutscher Botschafter bei den Vereinten Nationen, einen Blick auf politische und völkerrechtliche Probleme multilateraler Krisenbewältigung.

Die Vorträge finden jeweils um 16.15 Uhr in Raum R 611 an der Universität Konstanz statt. Die Öffentlichkeit ist zu den Veranstaltungen herzlich eingeladen.